Die Milchzähne erstrahlen in reinem Weiß, der erste Wackelzahn kündigt sich an, der Durchbruch der ersten bleibenden Zähen steht bevor. Doch dann die Ernüchterung: die ersten, lang ersehnten, bleibenden Zähne schieben sich fleckig, porös und bröckelig durch die Mundschleimhaut. Sie sind stark temperaturempfindlich. Essen, Trinken, selbst Zähneputzen und manchmal sogar Sprechen, schmerzen.


Diagnose MIH – Molaren-Inzisiven-Hypomineralisationssyndrom.

Die Ausprägung reicht von kleinen bräunlich-gelben Flecken bis hin zur völligen Form- und Strukturveränderung. Betroffen sind aktuellen Studien zu Folge bis zu 10% der Kinder ab 6 Jahren, Tendenz steigend. Mädchen und Jungen trifft es gleichermaßen. Diese Störung verängstigt betroffene Kinder sowie deren Eltern: Anders als Karies, lässt sie sich mit gründlicher Mundhygiene und zahngesunder Ernährung nicht verhindern. Nach wie vor wird über die Ursache dieses Syndroms gerätselt. Sie scheint ein Phänomen der Neuzeit zu sein.

Mitte der 80er Jahre wurde MIH das erste Mal beschrieben, mittlerweile ist
es ein nahezu alltägliches Erscheinungsbild in den Zahnarztpraxen.


Wie bekommt mein Kind MIH?


Auf diese Frage hat die Fachwelt (noch) keine eindeutige Antwort. Fest steht lediglich wann diese Störung entsteht: In einer Zeitspanne die das letzte Schwangerschaftstrimenon bis hin zum 2. Lebensjahr des Kindes umfasst. Zu dieser Zeit werden die betroffenen Zähne im Kieferknochen des Embryos bzw. Säuglings angelegt bzw. ausgebildet. Nach heutigem Wissensstand sind als mögliche Ursachen in Betracht zu ziehen: wiederkehrende Atemwegserkrankungen innerhalb der ersten beiden Lebensjahre des Kindes sowie die Einnahme von Antibiotika in dieser Zeit. Exposition von Schadstoffen wie Dioxin aus der Muttermilch oder Bisphenol A aus Nuckelflaschen oder Schnullern. Möglicherweise handelt es sich auch um ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren.


Was tun?

Für Eltern sind die bröckelnden, käseweichen Zähne ein böser Schock, für Zahnärzte eine ernsthafte Herausforderung, für die betroffenen Kinder jedoch ein Problem, das Sie ein ganzes Leben begleiten wird. Kinder berichten bereits bei Durchbruch der Zähne über Empfindlichkeiten und Schmerzen. Aus diesem Grunde ist ihre Mundhygiene oft ungenügend, was
wiederum in einer rasch voranschreitenden Karies resultieren kann – ein Teufelskreis.

Des Weiteren ist die soziale Komponente nicht zu unterschätzen:
Betroffene Kinder berichten oftmals von Hänseleinen und Spott unter
Gleichaltrigen wegen Ihrer „andersartigen“ Zähne. Zusätzlich kann die Behandlungsbereitwilligkeit der jungen Patienten durch die erlebten Temperaturüberempfindlichkeiten und die damit verbundenen orausgegangenen Negativerfahrungen stark eingeschränkt sein. Somit stellt die Behandlung von Kindern mit MIH für den Zahnarzt oft eine herapeutische Herausforderung dar: Es gibt bisher noch keine einheitlich festgelegten Therapiestrategien zur Behandlung. Zur Entscheidungsfindung
müssen verschiedene Faktoren gegeneinander abgewogen und eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung gefunden werden.


Ist die ästhetische Beeinträchtigung sehr stark und der soziale Druck sehr hoch, können die betroffenen Zähne altersabhängig versorgt werden, beispielsweise mit Kunststofffüllungen oder zu einem späteren Zeitpunkt mit langfristigen Keramikversorgungen. Einbrüche der Schmelzoberflächen oder starke Temperaturempfindlichkeiten hingegen bedeuten frühen Behandlungsbedarf.

Sehr selten sind die Zähne so porös, dass sie nicht erhalten werden können. Ist das der Fall, ist eine Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten und Kieferorthopäden nötig zur individuellen Behandlungsplanung.


Was tun, wenn mein Kind MIH hat?


Haben Sie als Eltern den Verdacht, Ihr Kind könnte von MIH betroffen sein, suchen Sie einen Zahnarzt auf, um das unmittelbar abklären zu lassen. Die betroffenen Kinder müssen engmaschig in ein Intensivprophylaxeprogramm eingegliedert werden, um die erkrankten Zähne so gut als möglich schützen bzw. behandeln zu können und somit Ihrem Kind das Leben mit MIH so angenehm wie möglich zu machen


Autoren: Dr. Frederike Schenke & Dr. Vanessa Vogl
Infos: www.diekinderzahnaerzte-west.de

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