Wie lassen sich elterliche Fürsorgepflicht und Freiheitsdrang des Kindes vereinen?
Wann gebe ich mein Kind in die Kita? Welche Schule wähle ich aus? Und wie mit den Großeltern umgehen, die mithelfen und oft ganz andere Vorstellungen haben? Ob Kleinkind oder Teenager, Eltern möchten ihr Kind in guten Händen wissen.
Wir haben Familienexpertin Nora Imlau gefragt:
Nora Imlau
Buchautorin, Journalistin und Referentin.
Zu ihren erfolgreichsten Büchern gehören „So viel Freude, so viel Wut“, „Babybauchzeit“, „Das Geheimnis zufriedener Babys“, „Mein Familienkompass“.
Ihr neues Werk:
“In guten Händen. Kita, Schule, Großeltern – wie wir ein starkes Bindungsnetz für unsere Kinder knüpfen können”
mampa:
Egal, wie man es als Mama macht – man wird kritisiert: „Was, du willst arbeiten und schickst dein Kind in die Betreuung? Bist du dir da ganz sicher?!?“ „Ach, du willst nicht arbeiten. Du bleibst „nur“ zuhause.“
Wie können wir Mamas von dieser Mama-Schelte befreien? Was können wir Mamas auf den Weg geben, um sie diesbezüglich mental zu stärken?
Nora Imlau:
Es gibt keinen perfekten Weg, ein Kind ins Leben zu begleiten. Aber viele gute. Die Basis einer guten Kindheit sind sichere Bindungserfahrungen, die Kinder fürs Leben stärken. Diese sichere Bindung können berufstätige Eltern ihren Kindern ebenso mitgeben wie nicht berufstätige Eltern, weil es dabei auf ganz andere Dinge ankommt: Nicht permanente Anwesenheit ist entscheidend, sondern Feinfühligkeit und emotionale Verfügbarkeit. Kinder wollen spüren, dass sie zu Hause geborgen und geliebt sind, dass sie in ihren Bedürfnissen ernst genommen werden und dass ihre Eltern sie, wenn sie gerade nicht selbst für sie sorgen, in gute Hände geben. Tun Eltern dies, ist es völlig egal ob und wenn ja wie viel sie außer Haus arbeiten – ihr Kind wird es gut haben.
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mampa:
Wenn wir die Kinder in eine Betreuung geben wollen: Das ist bei uns ja leider nicht ganz so einfach. Wie sichere ich mir einen Betreuungsplatz? Und auf welche Faktoren sollte ich bei der Auswahl achten?
Nora Imlau:
Viele Eltern haben leider wenig Auswahl und müssen froh sein, wenn sie überhaupt einen Betreuungsplatz bekommen. Dann ist es wichtig, vor dem ersten Tag ein Gespräch zu führen:
- Wie wird die Eingewöhnung ablaufen, wie stellen wir sicher, dass unser Kind gut ankommt?
- Dabei dürfen Eltern ruhig selbst gut informiert sein und auch anmelden, was ihnen wichtig ist, zum Beispiel: Wir möchten, angelehnt an das Berliner Eingewöhnungsmodell, keinen Trennungsversuch vor dem dritten Tag.
- Habe ich eine Auswahl, sollte ich immer auf die Feinfühligkeit und Zugewandtheit der pädagogischen Fachkräfte vor Ort achten.
- Besuchen Sie die Kita, während noch Kinder betreut werden, und schauen Sie genau hin: Wie bewegen sie sich, wie verhalten sie sich? Scheinen sie sich wohl und sicher zu fühlen? Werden weinende oder schreiende Kinder konsequent getröstet?
- Zugewandte Menschen sind für die Betreuungsqualität entscheidender als alles Bio-Essen, Holzspielzeug oder Früh-Englisch.
mampa:
Wie können wir erkennen, ob unser Baby in der Betreuung glücklich ist und gut aufgehoben ist? Das Kleine kann sich ja noch nicht artikulieren.
Nora Imlau:
Kleine Kinder können oft noch nicht verbal äußern, wie es ihnen in der Betreuung geht, aber sie können es zeigen. Wichtig ist, nicht nur den Trennungsmoment an der Tür zu betrachten – der fällt vielen Kindern schwer – sondern auch das ganze Drumherum.
- Wie geht es meinem Baby nach der Kita? Wirkt es traurig, verstört, verändert?
- Hat es plötzlich keine Lust mehr zu spielen, unerklärliche Ängste, oder Schlafprobleme, die vorher so nicht da waren?
Das sind alles Anzeichen dafür, dass es der Kinder nicht gut geht. Da sollten Eltern unbedingt genauer hingucken! Ein gutes Zeichen ist es, wenn sich ein Kind von den pädagogischen Fachkräften in der Kita trösten und beruhigen lässt, beim Abholen noch fröhlich spielt und sicher und gelöst wirkt.
mampa:
Die ideale Vorstellung wäre eine Betreuung innerhalb der Familie. Soll man die Großeltern involvieren? Wie „gesund“ ist es, die Großeltern zu involvieren? Wie reagiere ich, wenn die Großeltern sich dann ewig in meine Erziehungsmethoden einmischen.
Nora Imlau:
Ich würde bestreiten wollen, dass die Betreuung durch Familienmitglieder das Ideal darstellt – viele Kinder sind in den Händen professioneller pädagogischer Fachkräfte besser aufgehoben als bei ihren Großeltern. Gleichzeitig gibt es natürlich auch ganz wunderbare Großeltern, die mit viel Feinfühligkeit und Herzblut bei der Kinderbetreuung mithelfen. Und selbst wenn nicht: Großeltern sind für Kinder sehr oft ein wichtiger Teil ihres Bindungsnetzes. Dass sie manchmal ein bisschen altmodisch sind oder Dinge anders handeln als die Eltern, verzeihen sie ihnen meist gern, so lange die Basis stimmt. Deshalb dürfen auch Eltern locker lassen, wenn die Großeltern etwa mit Süßigkeiten oder Medien anders umgehen als wir zu Hause.
Gleichzeitig haben wir Eltern natürlich auch einen Schutzauftrag: Wenn die Erziehungsmethoden der Großeltern die Würde unserer Kinder verletzen, müssen wir entschlossen eingreifen. Kinder sollten nie unter Druck gesetzt werden, die Großeltern küssen, umarmen oder auf ihrem Schoß sitzen zu müssen. Da dürfen Eltern ganz klar sagen: Stop, das wollen wir nicht!
mampa:
Wie erkenne ich, ob ich eine Helikopter-Mama bin? Wie schaffe ich hier das Loslassen?
Nora Imlau:
Ich mag den Begriff „Helikopter-Mama“ überhaupt nicht, weil er eine Form von Mom Shaming ist. Mütter werden in unserer Gesellschaft sowieso ständig abgewertet und verurteilt: mal sind sie zu streng, mal zu lasch, mal hängen sie zu viel am Handy. Und jetzt werden sie also auch noch beschimpft, wenn sie angeblich zu klammerig sind.
Fakt ist: Die meisten Eltern haben es gut raus, eine gesunde Balance aus Festhalten und Loslassen zu wahren. Und vieles, was gerade von älteren Generationen als „glucken“ oder „helikoptern“ beschrieben wird, ist einfach nur zugewandtes Mamasein: Babys nicht schreien zu lassen etwa, oder sie am Körper zu tragen und nach Bedarf zu stillen. Merken Eltern, dass sie ihre Kinder tatsächlich sehr behüten und so in ihrer Entwicklung hemmen, liegt dies meist an eigenen unverarbeiteten Traumata und Ängsten. Da dürfen sich Eltern dann – auch mit professoneller Unterstützung – Hilfe beim Loslassen holen. Denn Kinder brauchen eben nicht nur unsere Fürsorge und unseren Schutz, sondern auch die Freiheit, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Liebe Nora Imlau! Danke für das spannende Gespräch! Maria Burges
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